Pipilotti Rist

“Bildschirm sowas wie eine Träne”
Tom Kummer
im Gespräch mit
Pipilotti Rist

courtesy of Georg Gatsas

Fans verehren ihre Arbeit als Glücksdroge, Sammler feiern sie als erfolgreichsten Schweizer Kunstexport der Gegenwart: Pipilotti Rist – von den Amerikanern zur Kultfigur erhoben, von den Japanern leise bewundert als Rollenmodell, zeitgenössische Videopionierin und Repräsentantin einer neuen Frauengeneration in der bildenden Kunst. Ihre Werke wurden von zahlreichen Museen zwischen Kyoto und Toronto angekauft. Sie wird unter den weltweit wichtigsten Kunstschaffenden geführt. Und in der Heimat?

Als sicher gilt: Elisabeth Charlotte Rist wird am 21. Juni 1962 in Grabs geboren und wächst in einem antiautoritären Elternhaus auf. Die fünf Kinder sorgen meist für sich selber; ihre Eltern sind Freigeister, der Vater Allgemeinmediziner, die Mutter, eine Lehrerin und unabhängige Frau, die sich beherzt in der Schulpolitik engagiert. Die Familienbande sind bis heute eng, obwohl Elisabeth Charlotte längst eine eigene Familie und einen zwölfjährigen Sohn hat.

Wie Pippi Langstrumpf, die Heldin ihrer Kindheit, wird auch Pipilotti Rist noch heute von Angsträumen gequält – weil sie mit ihrer Arbeit niemanden enttäuschen will: weder Freunde, Familie noch Nachbarn. Typisch Pipilotti Rist – der soziale Mensch. Und was passiert tatsächlich mit einer Welt, in der diese Künstlerin ihre Werke zeigt und Ausstellungsbesucher sie betrachten? Manche Menschen wirken entspannter, werden möglicherweise sogar interessanter, andere bunter, seit sie die Glücksdroge Rist in verschiedenster Form konsumieren können – vielleicht ohne es zu wissen. Rists künstlerisches Werk ist heute in den ästhetischen Alltag eingeflossen, weltweit kopiert, inhaliert, als Kraftort etabliert. Vor allem aber beeindruckt die Künstlerin, weil sie sich Grosses vorgenommen hat – das Grosse im Kleinen! Eine Menge Leute stiessen dank ihr Türen in ihren Köpfen auf. 1997 vertrat sie die Schweiz an der Biennale Venedig. Das war der internationale Durchbruch der Künstlerin, deren Karriere 2008 im Museum of Modern Art (MoMA) in New York kulminiert, wo sie mit der gigantischen Raumskulptur Pour Your Body Out (7354 Cubic Meters) ihren bisher grössten Erfolg feierte. Am Abend der Eröffnung fiel der Dow-Jones-Index auf unter 8000 Punkte. Und als hätte sie es geahnt, schenkt die Künstlerin einer Stadt in der Krise ein visuelles Gedicht: Die Zuschauer trudeln durch rosa Tulpenfelder, kippen in Blütenkelche, gleiten euphorisiert über Erdbeeren und erigierte Brustwarzen. Über eine Million Besucher berauschten sich in New York an einer Schweizer Glücksdroge.

Jetzt erscheint die Künstlerin vor mir, undeutlich, verzerrt – auf Skype, diesem Mutterschiff der modernen Kommunikation. Zwischen uns der Atlantik, der amerikanische Kontinent, vielleicht auch ein endloses Kornfeld zwischen Schnottwil und Säntis. … (Stille) …

Tom Kummer  Pipilotti, wo sind Sie?
Pipilotti  Rist  Hier, Tom … juhuuuu!!

KUMMER  Ich kann Sie gerade nicht sehen.
RIST Vielleicht ist Ihre Skype-Verbindung gestört. Ich erkenne Sie ganz gut. Wo sitzen Sie denn da?

KUMMER  Auf einem Dach am Rande von Downtown Los Angeles …
RIST  Und, was sehen Sie?

KUMMER  Verzerrungen auf dem Bildschirm. Flackern. Rauschen. Unschärfe … (Stille) … Störungen gehören doch ganz zentral zu ihrem Werk, Frau Rist?
RIST  Stimmt, optische Störungen hielt ich immer für eine Art Liebeserklärung an unsere Fehler. Dissonanzen produzieren Spannung, schleusen Anarchie ins maschinelle System. Ich bin süchtig danach.

KUMMER  Ihre Kamerafahrten in die Körperhöhlen haben aber noch viel mehr Dinge angestellt: zum Beispiel Anarchie ins System «Mensch» geschleust, nebenbei unsere Psyche angebohrt und den Betrachtern vergessene Teile ihres Körpers bewusst gemacht.
RIST  Störungen sind mächtig, erzählen von einer höheren Dimension, vom Weg in eine andere Welt. Aber was ist das eigentlich für ein Turm im Hintergrund auf Ihrem Dach?

KUMMER  Eine kleine Loft. Dort hat Ende der 1950er Jahre mal ein Beat-Schriftsteller namens Brion Gysin gelebt und gearbeitet. Er gilt als Erfinder des Cut-up, jener Methode, die Zufall und Montage in die Literatur einbezieht. Ich muss gerade an alle diese seltsamen Koinzidenzen denken, die es im Leben gibt und die nicht mit dem Ursache-Wirkungs-Denken zu erklären sind …
RIST  Wie ging das schon wieder mit den Cut-ups? William S. Burroughs wurde doch berühmt damit …

KUMMER  Genau. Die simpelste Form ist, einfach zwei beliebige Seiten eigener oder fremder Texte senkrecht zu zerschneiden, dann die vier Hälften in vertauschter Reihenfolge wieder zusammenzusetzen. Dann beginnt man über die semantischen Bruchstellen hinwegzulesen. Fertig.
RIST  Das ist das Berauschende an der Störung. Störungen verschärfen einen entscheidenden Konflikt, den wir ständig mit einer Realität austragen, die sich von unseren Wunschbildern oft unterscheidet. Wahrnehmung ist dabei immer eine Art persönliche Unschärfe, projiziert auf unser unscharfes Bild von der Welt: Entweder weiss man, wo man ist, aber nicht, wohin man geht. Oder man weiss, wohin man geht, aber nicht, wo man ist.

KUMMER  Und dann gibt es eben diesen dritten Weg, das grosse Glück des Sehens.
RIST  Ja, es gibt dieses Glück. Wenn sich durch Bilder Ängste auflösen und Träume und Utopien sich zur wahren Realität wandeln. Eigentlich wollen wir ja im Alltag alles logisch sehen. Ganz oft regiert aber der Zufall. So ist es auch bei meinen Arbeiten, sie sind eine Mischung aus dem, was ich möchte, und dem Willen, das Glück des Zufalls zu akzeptieren.

KUMMER  War es eigentlich Zufall, dass viele Menschen Sie am Anfang ihrer Laufbahn weniger wegen ihrer Kunst gekannt haben, als wegen ihrer ausgefallenen Kleidung?
RIST  Unsere Wahrnehmung reagiert stärker auf die Abweichung. Ich liebte es damals einfach, mich bunt anzuziehen. Das war alles. Es war mir auch ziemlich unklar, wieso die meisten Menschen sich in Schwarz oder gebrochenen Braun- und Grautönen kleideten. Vielleicht weil man die Kleider weniger waschen muss. Mag sein, dass sie mit einer zurückhaltenden Garderobe nicht von ihren wahren, inneren Werten ablenken wollen. Doch dieses auf Understatement bauende Konzept leuchtete mir nicht ein. Bunt wird dagegen gern mit Oberflächlichkeit und Trivialität gleichgesetzt.

KUMMER  Aber Ihre «Buntheit» hat gerade den Medien und der Öffentlichkeit die Identifizierung mit der Persona «Pipilotti» leicht gemacht. Wie schon Ende der 1970er-Jahre die Marketingstrategen genau erkannten, wie Punk als rebellisches, komisches und groteskes Image zu nutzen ist. Funktioniert diese Art Buntheit besser in der Schweiz, wo man viel rascher als anderswo als «ungezogener Paradiesvogel» gilt?
RIST  Kann schon sein. Bei der bunten Kleidung handelte es sich bei mir damals nicht um eine bewusste Strategie. Vermutlich wollte ich beim Übertritt ins Erwachsenenleben meine kindliche Freude einfach nicht unter einer Uniform begraben. Denn seit ich denken kann, hatte ich kein Interesse, irgendwelche Normen und Konventionen zu erfüllen, deren Sinn mir verborgen blieb. Meine Kleidung, mein Körperhaus ist ein lebenslanger Prozess. Schon während der Pubertät habe ich die Sixties-Kleider meiner Mutter aus der Mottenkiste geholt, weil sie und jene Zeit mir so gut gefielen. Ausserdem konnte ich mich allen damals existierenden Schönheitskriterien entziehen.

Wie war es denn damals für Sie, Herr Kummer, als Sie nach Kalifornien ausgewandert sind, Anfang der 90er Jahre, fühlten Sie sich da freier als bei uns in der Schweiz?

KUMMER  Ja, vielleicht kann man es «freier» nennen. Ich suchte nach einer Schönheit in der Anti-Idylle. Los Angeles stellte sich in seiner perfiden Hässlichkeit als perfekte Kulisse für meine existenzialistischen Sehnsüchte heraus. Im Übrigen schwappen am westlichsten Punkt der Erde auch immer ganz besondere Wellen hoch. Wenn sie sich wieder zurückziehen, bleiben hier Paradiesvögel und interessantes Strandgut hängen.
RIST  Und wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie eine Familie haben. Wie geht es Ihren beiden Jungs?

KUMMER  Es sind kalifornische Jungs, zehn und sechzehn Jahre alt, entspannt und optimistisch, alles fällt ihnen leicht. Sie sprechen ein wenig Berndeutsch und manchmal, inmitten der aalglatten Oberflächlichkeit von Los Angeles, offenbaren sie sogar eine europäische Sensibilität. Klar, anfänglich war es mit Familie in L.A. frustrierend. Ich wollte hier etwas wirklich Grosses schreiben, wie Ulysses oder Moby Dick. Aber ich war gefangen im Kleinen, weil ich eine Familie hatte – und ich mich um meine Kinder kümmern wollte. Ich wechselte Windeln, kochte Brei, stritt mit meiner Frau über Zuständigkeiten, und irgendwann begann ich, darüber zu schreiben und kotzte mich beim Schreiben so aus, dass ich leer wurde und mit niemandem mehr reden mochte. Ich hasste jeden Satz, den ich schrieb, aber dann wurde das der Sinn meines Schreibens: sich nichts vormachen, dort bleiben, wo man wirklich ist, jedes Detail registrieren.
RIST  Wenn Sie zum Beispiel duschen, wo fangen Sie da an?

KUMMER  Immer im Gesicht. Dann erst zwischen den Beinen.
RIST  Und wo stützen Sie sich ab, wenn Sie die Füsse reinigen?

KUMMER  Ich muss zugeben, ich gehe immer davon aus, dass meine Füsse automatisch sauber werden, wenn ich unter der Dusche stehe. Nebenbei gehe ich regelmässig zur koreanischen Fussmassage. Unglaublich, wie konzentriert und leidenschaftlich koreanische Fusspflegerinnen ihrem Handwerk nachgehen. Es gibt nichts Angenehmeres im Leben … (Stille) … Kommen wir zurück zu Ihnen, Frau Rist, Sie haben sich sehr früh in ihrer Karriere zu einer besessenen Handwerkerin entwickelt, bewandert in Schnittprogrammen, Codec-Umwandlungen, softwarebasierten Auflösungs- und Kompressionsprozessen. Es ist ein hoch komplexer Prozess, diese einfach anmutenden Bilder herzustellen.
RIST  Gilt das nicht für alle Fertigkeiten, je einfacher und klarer das Resultat, desto mehr Arbeit steckt drin? Oft scheint nur nicht gemachte Arbeit sichtbar zu sein, das fällt mir beim Putzen auf. Jedenfalls liebe ich die Technik. Ich finde sie aber auch recht bescheiden. Sie ist immer weniger gescheit als die Leute, die sie kreiert haben. Und sie ist immer nur ein unzureichendes Abbild unserer Sinne. Die sind vieltausendmal komplexer als jede Maschine!

courtesy of Georg Gatsas

KUMMER  Aber Sie lieben es, mit der geliebten Technik unseren Zwang zur Perfektion zu unterwandern.
RIST  Ich glaube, wenn man die Reproduktion der Maschinen stört, kommt man näher an die Wahrheit heran. Ich hab mich früh für die Ästhetik des vermeintlich Verkehrten entschieden, für die Welt hinter der Maske.

KUMMER  Frau Rist, hier bei mir verschwimmen jetzt gerade Ihre Augen auf dem Bildschirm. Sieht alles aus wie DayGlo-Orange-Grün … (Stille) …
RIST  DayGlo-Augen klingt wunderschön. Wenn wir ein Gesicht scharf sehen, heisst das nicht unbedingt, dass wir klarer sehen, was die Person fühlt.

KUMMER  Ich muss rasch die Augen schliessen.
RIST  Augen schliessen ist gut, Herr Kummer. Die Möglichkeit, die Augen zu schliessen oder zu träumen, ist für mich immer gleich viel wert wie die sogenannte Realität. Was sehen Sie denn jetzt, wenn Sie die Augen schliessen?

KUMMER  Das Nachbrennen des Bildschirms. Wie eine negative Umdrehung der Farben. Ich sehe eine orange Fläche auf der rosa und gelbe Büschel pulsieren, die ganze Form wabbelt und driftet nach rechts. Ich spüre meine Backenknochen, die ganze Knochenhöhle, in der die Augäpfel drin hängen. Sieht recht schön aus.
RIST  Schönheit ist ja das, was wir selber konstruieren. Wir brauchen viele Dinge im Leben, die wir als schön empfinden, damit sich unser Hirn erholen kann. So wie Sie jetzt hoffentlich ganz nahe an den Bildschirm rangehen und sich meine Augen als DayGlo betrachten und für zehn Sekunden kurz mal ausruhen. Wir brauchen das, sonst drehen wir durch.

KUMMER  Ja, sie haben Recht. Ich drehe gleich durch, Frau Rist. Wirklich! Ihre Iris sieht wie eine wundersame Blume aus. Mit so einer Blume haben Sie einmal eine menschliche Figur beim Autofenster Einschlagen gefilmt. Sie sagten doch, unsere Augen seien blutbetriebene Kameras. Wie hiess die Arbeit schon wieder?
RIST  Ever Is Over All. Die Figur wurde von Silvana Ceschi gespielt, selber eine Dokumentarfilmerin.

KUMMER  Diese Figur schlägt ganz locker, unschuldig und elegant eine Reihe Autofenster mit einer Blume ein …
RIST  An der Blume hat mich weniger die Schönheit interessiert als ihre Stärke. Wie sie sich im Wind wiegt – was da für eine evolutionäre Entwicklung vonstatten gehen musste, bis der dünne hohe Blumenstiel diese Statik bietet! Mich hat aber auch die Frage interessiert, was wir als richtig oder falsch interpretieren und wie schnell das wechseln kann. Dass wir das Einschlagen einer Scheibe als etwas Böses, Kriminelles betrachten. Aber nicht die Geschwindigkeit, mit der sich Strassen und Autos auf dem Planeten ausbreiten. Was machen wir damit in zwanzig oder dreihundert Jahren, verglichen mit der evolutionären Entwicklung, die es brauchte, bis eine Blume ihre Stabilität entwickelt hat?

KUMMER  Mir hat die Szene damals die Brust geweitet, ich musste einfach schmunzeln und tief durchatmen, als ich die Arbeit zum ersten Mal sah. Ich kam mir wie David vor, der Goliath besiegt. Aber wer sowas wie einen Glücksversuch wagt, wird gerne belächelt oder nicht ernst genommen. Hatten Sie jemals Angst vor der Lächerlichkeit?
RIST  Kindliche Handlungen oder Normabweichungen meint man nicht so ernst nehmen zu müssen. Oder ein Mensch, der sich ausserhalb der Norm bewegt, wirkt weniger bedrohlich, sobald man ihn verniedlicht oder zum Beispiel eben mit dem kleinen Kind identifiziert.

KUMMER  Das Gleiche gilt für eine Kunst, der man «grossen Unterhaltungswert» attestiert, als ob das etwas Schlechtes wäre. Dabei haben Sie eigentlich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dem Pop nahezustehen.
RIST  Klar. Aber was genau ist Pop? Ich habe als Bühnenbildgestalterin für Musikbands angefangen, ich betrachtete das damals, wie auch freie Kunst heute, als Dienst am Menschen. Meine Arbeit pendelte zwischen verschiedensten Welten, zwischen dem Film, der Kunst, dem Handwerk und der Musik. Die Welt der Schreiner und Schlosser, wo gehämmert wird, wo die Funken sprühen, ist mir genauso nahe wie die der Kunsthistorikerin. Ich baue auf der normalen Fernsehbildung der Menschen auf.

KUMMER Kann man sagen, dass Ihre Arbeiten also schon damals bewegte Soundgedichte waren?
RIST  Ja, durchaus. Musik verbindet die Menschen mehr als alles andere. Viele Melodien und Liedtexte sind Teil des kollektiven Unterbewusstseins. Ich verehrte wie viele John Lennon. Und Yoko Ono war mein erster Kontakt zur bildenden Kunst. Das Musikmachen mit Les Reines Prochaines hatte einen Nebeneffekt: Dank dieser Zusammenarbeit war es mir möglich, den Ton für meine Videos selber oder mit Anders Guggisberg zu komponieren und zu spielen … (Stille)

KUMMER  Frau Rist, sind Sie noch da? Vor der Skype-Störung, die meinen Bildschirm eben so schön aufgebrochen hat, sind wir bei der Behauptung stehen geblieben, dass eigentlich alle Orgasmen wundervoll sind.
RIST  Das haben Sie gesagt. Schöner Gedanke.

KUMMER  In ihrem Werk, Pipilotti, gibt es scheinbar keinen Hinweis auf Frustration oder Unzufriedenheit. Immer ist da Ekstase im Spiel, wo doch der kritische europäische und besonders der schweizerische Blick meistens sofort nach Sprüngen und Rissen im Elysium sucht.
RIST  Natürlich gibt es viel gute Kunst, die die Risse ins Zentrum setzt und die ich sehr schätze. In meiner eigenen Arbeit interessiert mich die Ekstase als Ziel oder Lösung. Die Risse und Sprünge sind eher die Würze. Die Orgasmussymbolik, die Sie als Vergleich anführen, Sir Tom Kummer, ist natürlich immer aufregend: die Ekstase als das befreiende Erlebnis. Mit dem Bedürfnis nach Ekstase beginnt vieles. Und viele Dinge im Leben beginnen damit einen Sinn zu machen, denken Sie das auch?

KUMMER Wenn man dies im spirituellen Bereich betrachtet, begann meines Wissens keine der grossen Religionen mit einem philosophischen Unterbau, ja nicht einmal mit einem grundlegenden Gedanken. Man könnte wahrscheinlich sagen, dass alles immer mit einer EKSTASE begann, einer überwältigenden NEUEN ERFAHRUNG, in dem Sinne, dass der Erfahrende in dem Moment zu einem Gefäss des Göttlichen, der All-Einheit wird …
RIST  Sprechen Sie weiter, Ihr Bild freezed immer wieder, das sieht fantastisch aus und passt immer zu den Worten. Sprechen Sie weiter!

KUMMER  Ich erinnere mich daran, nie so richtig verstanden zu haben, wovon die Leute überhaupt sprachen, als ich zum ersten Mal von solchen Dingen las. Ob Jesus, Mani, Zarathustra, Gautama Buddha – ganz am Anfang versprachen diese Lehrer ihrem Kreis von Getreuen keinen besseren Zustand im Jenseits, allenfalls einen gewissen psychischen Zustand im Hier und Jetzt. Was ich nie verstanden habe …, dass die Bekehrten in den meisten Fällen von einer konkreten geistigen Erfahrung berichten, die sie erlebt hatten, einer Ekstase eben. In den meisten Fällen, wenn man den Schriften und Legenden glauben will, kam das wie ein Blitz über den Betreffenden. Zum Beispiel Mohammed, der auf einem Berg in der Nähe von Mekka fastete und meditierte und dann – BLITZ! – die Ekstase, eine tiefe Erleuchtung und der Beginn des Islam. Saul aus Tarsus war unterwegs nach Damaskus, als er – BLITZ! – die Stimme des Herrn hörte und zum Christen wurde.

Ich erwähne das alles bloss, weil Sie, Pipilotti, in Ihrer Arbeit immer wieder unsere Angst vor Berührung, Verführung, Empfindung, vor Ekstase und vielleicht auch vor der Liebe thematisieren und sichtbar machen, die Angst vor Kontrollverlust, vor dem Hinsehen, vor der Möglichkeit, das eigene Urteilsvermögen in Frage gestellt zu sehen. Ich meine, Close-ups von Haut, die wie englische Landschaften aussehen, und Brustwarzen wie Beeren. Eine Seifenblase, die zum Planeten, oder eine Vulva, die zur Maggiaschlucht wird. In der Arbeit Ginas Mobile haben Sie zum Beispiel eine Vulva so gefilmt, dass sie wie ein Lavastrom aussieht. Oder gekochte Tomaten.

RIST  Bei Ginas Mobile hat es mich interessiert, diese meistens verborgene Haut, deren Berührung uns so aufwühlt, ins Licht zu setzen wie eine teure Uhr. Denn da unten ist es ja meistens dunkel. Und die Dimensionen sind so klein, da kann ich mit der Kamera gar keine Fahrten machen. Da wäre jeder Hundertstelzentimeter ein Riesenruck. Die Frau dürfte auch gar nicht atmen. Darum haben wir ein hochauflösendes Dia gemacht und daraus eine Computeranimation. Es hätte genauso die Haut von einer männlichen Eichel sein können, um zu fragen, warum uns eine Berührung dort so aus dem Gleichgewicht bringt, warum sie Liebeskummer verursacht, Amokläufe, Tränen. Dabei interessiert natürlich auch immer wieder die Frage: Was passiert eigentlich beim Berühren, Küssen und bei einem Orgasmus? Ja, was …? (Stille)

KUMMER  Warten Sie auf meine Antwort?….(Stille)….. Ich soll jetzt also erklären, was ich persönlich bei einem Orgasmus empfinde……?
RIST  Ja …, versuchen Sie es doch einfach mal.

KUMMER  Heute ist es definitiv ein bisschen anders als, sagen wir mal, mit zwanzig. Heute fühlt es sich eher an, als ob man Lady Chatterley’s Lover, den ganzen Henry Miller, ein wenig de Sade und Kate Moss in einen Mixer geworfen und dann noch literweise das dazugekippt hat, was Männer beim Onanieren so herumspritzen.
RIST  Wie würden Sie denn dieses Gespritze benennen?

KUMMER  Wenn Sie das wirklich so genau wissen wollen: vielleicht Dödelsirup? Oder Rahmkleckse? Früher hätte ich es vielleicht Kommrotz genannt, weil ich damals mit dem Orgasmus etwas viel Agressiveres verband als heute, ein Kampfsaft zur Eroberung des Lebens vielleicht. Heute blicke ich eher sentimental auf so eine herrliche Flüssigkeit, vielleicht eher mit dem neugierigen, staunenden Blick eines jungen Teenagers oder jenes Embryos, das in 2001: Odyssee im Weltraum in einer riesigen durchsichtigen Blase grossäugig durch den Weltraum der Erde entgegenschwebt. Und dabei denke ich immer an die beiden grossen Fragen, auf die ich so gerne eine Antwort hätte: Wie hat das Universum angefangen und wie funktioniert unser Gehirn? Beides ist sehr kompliziert … (Stille)
RIST  Ich kenne ein Buch, das auf solche Fragen den Horizont ganz angenehm erweitert: Elefanten im All von Ben Moore, ein englischer Astrophysiker, der an der Uni Zürich lehrt und an der Streetparade jeweils mit seinen Studenten auf dem Lovemobile «Big Bang» musiziert. Gemäss Moore, täten wir gut daran, in die Raumfahrt zu investieren, statt in die Rüstung. Denn die Verhältnisse auf unserem Planeten werden nach und nach unwirtlicher, weil die Sonne immer heisser wird. In einer Milliarde Jahren wird es auf der Erde über 100 Grad heiss sein, Meere und Seen verkochen. Dann verglüht die Sonne, und in sieben Milliarden Jahren ist unser Stern nur noch ein Weisser Zwerg, der seine letzte Energie abstrahlt, bis er zu einem kalten, unsichtbaren Schwarzen Zwerg wird. Dann sollte unser Sperma definitiv auf einem anderen Planeten in einem anderen Sonnensystem sein.

KUMMER  Kehren wir also rasch nochmals zurück auf die Erde, und zu Ihnen, Frau Rist. Es gibt ja in Ihrem Werk keine negativen Sex-Utopien wie, sagen wir mal, bei Michel Houellebecq, einem Schriftsteller, den ich eigentlich sehr schätze, oder wenn man den trotzigen Feminismus nach Caroline Schneeman in den 60er-Jahren analysiert. Ihre Arbeiten wirken wie ein mit fast unschuldiger Freude hingeworfenes Pamphlet für die Freiheit, das sich aber letztlich eben auch politisch lesen lässt, oder nur feministisch?
RIST  Der Freiheitsdrang ist entscheidend und die Frage: Wie weit können wir gehen, ohne andere zu verletzen? Auf die Frage, ob ich Feministin bin, habe ich immer zwei Antworten. Wenn mich ein guter Mensch fragt, bin ich keine Feministin. Wir Frauen haben einiges erreicht, und immer nur auf das Recht der eigenen Gruppe zu pochen, scheint mir zum Teil egoistisch. Wenn mich ein Macho fragt, sage ich natürlich sehr wohl, ich sei Feministin.

KUMMER  Sie gelten als Rollenmodell, weil Sie es als Frau soweit gebracht haben, möglichst selbstbestimmt arbeiten zu können.
RIST  Das ist natürlich nur möglich, weil es Feministinnen und Feministen in der Vergangenheit gab. Auch deshalb sage ich: Ich bin Feministin. Weil ich es nicht gern habe, wenn sich die Befreiten gegen die Befreier stellen. Aber inzwischen sind wir in Europa an einem Punkt, wo die Unterschiede zwischen einzelnen Menschen grösser und wichtiger sind als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern …

KUMMER  Frau Rist, Was ist das jetzt, was aus Ihrem rechten Auge läuft.
RIST  Wovon sprechen Sie?

TK  Ich sehe auf meinem Bildschirm sowas wie eine Träne in ihrem Gesicht? Weinen Sie?
RIST  Ach was.

KUMMER : Wann haben Sie zuletzt geweint?
RIST  Ich hatte meinen Vater, bevor er leider letztes Jahr starb, gefragt, wie es sei, mit Hoden durch die Welt zu gehen. Er meinte, aha, genau, das sei ja wie Wandern in dunkler Nacht für uns Frauen.

(Stille)

KUMMER  Satirische Elemente können Sie in ihren Videos trotzdem mit der nötigen Ernsthaftigkeit  präsentieren. Also, wenn Pipilotti Rist sich entschieden hätte, einen Sexfilm zu drehen, dann wäre womöglich die wichtigste Frage, welchen BH die Darstellerin trägt. Es könnte die wichtigste Wahl sein, die sie je getroffen hat …
RIST  Genau, denn wie sieht die Haut den BH von innen? Ist er gut zum Fleisch? Die taktilen Sinneseindrücke visualisieren …

KUMMER  Was mich immer begeistert hat, ist die Grössenordnung, in der diese Frau aus dem Rheintal denkt. Dass Sie sich Grosses vorgenommen haben, wird ja schon in Ihrem ersten Video Pickelporno von 1992 deutlich. Da ist ein Anspruch zu erkennen, wie ihn, sagen wir mal, auch der junge Stanley Kubrick hatte, aber dann eben nicht, um – wie das Männer gerne anstreben – irgendwann nach den Sternen zu greifen, sondern um in den Kosmos der Intimität vorzudringen, ohne Tabuzonen.
RIST  Danke für diese schöne Behauptung! Das Grosse im Kleinen, im Nahen –genau genommen und alles umgestülpt. Auf meinen Kamerafahrten stosse ich gerne immer weiter und tiefer in unseren vorgestellten Körper und seine Höhlen und die menschliche Psyche vor. Und wie einer meiner Lehrmeister, Nam June Paik, behandle ich Pixel wie Farbpigmente und Augapfelmassagen.

KUMMER  Woher kommt das Kommando zum Arbeiten?
RIST  Manchmal ist es ein Tick oder ein Wahn, der über Jahre geht. Bei Ginas Mobile war es die Frage nach der Empfindlichkeit der Haut des Geschlechtsteils und danach, warum wir den Anblick der Vulva nicht so gut ertragen. Das Chaotische ist für uns schwieriger zu ertragen als ein Porsche.

KUMMER  Ihre Arbeit steht für so begehrte Dinge wie Freiheit und Anarchie. Aber Sie erzeugen mit ihr eben auch  viel Spass und Wohlgefühle, dass man Ihnen das schon fast zum Vorwurf macht. Diese Leichtigkeit. Dabei sollte man ja nicht vergessen: Die Leichtigkeit des Seins ihrer Arbeit ist vor allem eine Leichtigkeit des Scheins. Die Herstellung in Kombination mit Ihrem Anspruch auf Perfektion ist Schwerstarbeit … Zum Beispiel «Pour Your Body Out (7354 Cubic Meters)».
RIST  Ruhige streichelnde Bilder und Sounds organisch mit dem Ausstellungsraum zu etwas Neuem verschmelzen, die Wände aufbrechen. Die Wirkung der Schwerelosigkeit lässt die Besucher dann vergessen, wie lange ich mit meinem Zürcher Team über der Installation gegrübelt habe.

KUMMER  Sagen wir mal, wie bei einer LSD-Erfahrung – teilt sich die Welt ganz einfach und unerbittlich: in die «Bewussten» und in eine grosse Masse von Unbewussten. Leute, die das nicht erfahren können oder wollen. Übertragen auf Ihre Kunst, gibt die die Unterscheidung, von jenen, welche die Rist-Erfahrung erlebt haben und jenen, denen sie nicht passiert ist.
RIST  Ich würde mich nicht irgendwie snobistisch gegenüber den «Unbewussten» verhalten wollen. Die Energie, man beim Kunst-erleben erfährt, kann man auch in andern Gebieten schöpfen, zb im Sport oder bei jeglicher leidenschaftlichen Tätigkeit. Kunst beschreibt nicht nur Leiden und Erlösung, sondern sie führt zur Steigerung der Lust an der Existenz … selbst noch im Schmerz. Die Angst, sich mit dem eigenen Körper zu befassen, oder die Macht der Technik, die Tyrannei des Computers….löst sich zum Beispiel einfach auf.

KUMMER  Das ist das Glück des Sehens, das in Ihrem Werk präsentiert wird und dem Betrachter, der sich darauf einlässt, ein fundamentales Geheimnis von Freude, Schönheit und Liebe kontra die Lust am Leiden offenbart. Jeder von uns hält ja bekanntlich einen Grossteil seines Geistes unter Verschluss. Die Droge «Kunst» scheint ein Schlüssel zu sein, mit dem sich verschlossene Türen im Kopf öffnen lassen, um radikal sein zu können. Um der Welt voraus sein zu können.
RIST  Ja, wir sind oft aus unserer eigenen Welt ausgeschlossen. Das Glück trifft dann erst ein, sobald wir die Realität anders erkennen und so etwas wie Leichtigkeit beschwören können, die Hingabe an das Leben.

KUMMER  … Pipilotti?

(1) Quelle: Daniele Muscionico, Das Glück des Sehens, in: DIE ZEIT Nº 24/2012,

 

Pipilotti Rist (Elisabeth Charlotte Rist) wird am 21. Juni 1962 in Grabs im Kanton St. Gallen geboren. Ihren Künstlernamen trägt sie bereits als Jugendliche in Anlehnung an Pippi Langstrumpf. 1982 bis 1986: Studium der Gebrauchs-, Illustrations- und Fotografik an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien.

1984: Erste Performance-und Super-8-Arbeiten. Zu ihren frühen Filmwerken zählt I’m Not The Girl Who Misses Much, 1986, eine Arbeit, die durch unterschiedliche Geschwindigkeiten, Unschärfe, ungewöhnliche Farbgebung und Collagetechnik irritieren und zugleich auf das Lebensgefühl der Zeit aufmerksam machte.

1986 bis 1988: Ausbildung an der Basler Schule für Gestaltung in den Bereichen Audiovisuelle Kommunikation und Video. In ihrer Basler Diplomarbeit, (Entlastungen) Pipilottis Fehler, zelebriert sie erstmals die Ästhetik des vermeintlich Verkehrten: mit Farbverschiebungen, Unschärfen, Schnee, Flackern und Rauschen. Ab 1988 widmet sie sich auch der Musik und spielt sechs Jahre lang in der Musik- und Performancegruppe Les Reines Prochaines.

1992 schafft sie mit dem Videofilm Pickelporno einen ersten internationalen Durchbruch. Rist stellt sich dabei der Aufgabe, wie sexuelle Gefühle subjektiv sichtbar gemacht werden können. Dabei wählt sie eine aussergewöhnlich starke Nahperspektive, aus der die Körperteile bis auf die Haut analysiert werden, so dass sie dem Betrachter riesenhaft erscheinen. Seit 1996 wird sie von Hauser & Wirth vertreten. 1997 vertritt Rist die Schweiz an der Biennale in Venedig und wird mit dem Premio 2000 für Ever Is Over All (Immer ist überall / Immer ist vorbei) geehrt. Darin ist eine Frau zu sehen, die in Zeitlupe mit einer Fackellilie die Fenster geparkter Autos einschlägt. Die Videoinstallation wird vom Museum of Modern Art New York erworben.

2000: Am New Yorker Times Square wird jeweils einmal pro Stunde auf einem Grossbildschirm  Open My Glade (Öffne meine Lichtung, 2000) gezeigt, 16 einminütige Videos; die Installation findet im Rahmen des Programms «Messages to the Public» statt. Das Video zeigt einen Menschen, wie er Gesicht und Hände gegen eine Glasscheibe presst, als sei er im Bildschirm gefangen. Aufsehen erregt im gleich Jahr auch die Multimedia-Installation Himalaya’s Sister’s Living Room (Das Wohnzimmer von Himalayas Schwester, 2000) − ein Raum, in dem neben mehreren Videoprojektionen eine grosse Sammlung nostalgischer Möbel, Gebrauchs- und Schmuckgegenstände sowie Kitschobjekte aus den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren arrangiert sind. Das Werk ähnelt einer alltagsarchäologischen Sammlung der Populärkultur vergangener Jahrzehnte, in der elektronische Erinnerungsgeister spuken.

2005 gestaltet Rist in Zusammenarbeit mit dem Architekten Carlos Martinez in St. Gallen einen öffentlichen Platz im Auftrag der Raiffeisen Bank und der Stadt. Sie überziehen die 4000 m2 und der Möblierung mit einem roten Tartanbelag, so entsteht die beliebte Stadtlounge.

2009 erscheint nach vierjähriger Arbeit Pepperminta, ihr erster Spielfilm.

 

Pipilotti Rist kann auf zahllose Prämierungen und Ehrungen zurückblicken, u.a.:.

2013 Zürcher Festspielpreis

2010 Best architects Award, Cutting the Edge Award (mit C. Martinez)

2009 Best Exhibition Of Digital, Video, or Film für «Pour Your Body Out (7354 Cubic Meters)» im Museum of Modern Art, New York, verliehen von The International Association of Art Critics (AICA); President of the Jury’s EXTRAORDINARY AWARD Filmfestival Sevilla; Joan Miró Prize, Barcelona.

2007 St. Galler Kulturpreis der St. Gallischen Kulturstiftung

2006 Guggenheim Museums Young Collector’s Council Annual Artist

1999 – Wolfgang-Hahn-Preis

1997 – Kwangju Biennale Award

1991 und 1993 – Eidgenössisches Kunststipendium

 

Pipilotti Rist lebt in Zürich.

Tom Kummer, geboren 1963 in Bern, beginnt seine Karriere als Super-8-Filmer und Aktionskünstler. 1986 ensteht u.a. «Mauerbrand», ein inszeniertes Attentat an der Berliner Mauer (Teil der Videosammlung Checkpoint Charlie Museum, Berlin).1988 wird Kummer Reporter für die Zeitschrift Tempo; er schreibt in der Tradition des New Journalism, bei dem der Autor das Hauptereignis ist. Der radikale Bruch mit den klassischen journalistischen Konventionen begeistert die Leser. Kummer erregt u.a. mit ich-zentrierten Reportagen über Drogenselbstversuche oder Isolationshaft grosses Aufsehen. Ab 1993 arbeitet er als Hollywood-Korrespondent für das Magazin der Süddeutschen Zeitung und das Tages-Anzeiger-Magazin, sowie als freier Autor (etwa für Die Zeit, Der Spiegel, Neue Zürcher Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung). 1994 wird er für seine Geschichte über den Pulitzer-Preisträger Richard Ford für den Joseph-Roth-Preis nominiert. 1997 veröffentlicht Kummer das Buch Good Morning, Los Angeles, in welchem er sich offen zum «Gonzo»-Journalismus bekennt und dessen Stilelemente sich in den folgenden Jahren im Feuilleton der Mainstream-Presse, in der Popliteratur und in Web-Blogs etablieren.  2000 lösen seine teilweise inszenierten Interviews mit Hollywood-Grössen einen Medienskandal aus. 2009 kommt der Dokumentarfilm Bad Boy Kummer in die Kinos. Darin wird dargestellt, dass Kummers Arbeitsmethoden einen künstlerischen Hintergrund haben. Tom Kummer lebt seit 1993 mit seiner Frau und zwei Söhnen in Los Angeles. Momentan schreibt er an einem autobiografisch angelegten literarischen Projekt rund um das Thema «Dreissigjährige Liebe».

 

Das Interview ist Teil der Publikation “Prix Meret Oppenheim 2014” (SS. 53-59) – auch auf Englisch verfügbar.