pool Architekten

“Palaverkultur als Strategie”

Thomas Kramer
im Gespräch mit
den Architekten des Kollektivs pool

courtesy of Georg Gatsas

Das Zürcher Architekturbüro pool ist in den 1990er-Jahren aus einem Diskussionsforum junger Architekten hervorgegangen. pool besteht aus acht Partnern, die seit gut 15 Jahren mit ihrer interdisziplinären und undogmatischen Arbeitsweise auf sich aufmerksam machen. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind vor allem im Wohnungsbau, bei Schulen und Sportbauten sowie im Bereich städtebaulicher Planungen zu finden. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist pool durch die Mitarbeit in der Architektengruppe Krokodil, deren Studie Glatt! Manifest für eine Stadt im Werden am Beispiel des Zürcher Agglomerationsgebietes Glatttal Lösungen für die urbane Zukunft der Schweiz skizziert.

Im Gespräch äussern sich die Architekten über kollektive Autorschaft, Generationenprägung und die Vielstimmigkeit als Voraussetzung ihres Schaffens.

 

Thomas Kramer: Wenn ihr einen Kurz-Steckbrief ausstellen müsstest, was würdet ihr antworten: Wer oder was ist pool?

Mathias Heinz: Acht Männer im Wasser versuchen, gegen den Strom zu schwimmen.

Andreas Sonderegger: pool ist ein Architekturbüro. Eins mit mehr Gründern als üblich.

Dieter Bachmann: pool ist ein grosses Gefäss, in dem Architektur erschaffen wird, in dem gelebt, gearbeitet und diskutiert wird. Ein offenes Gefäss: Ideen und Menschen gehen ein und aus.

TK: Was ist die Essenz des Kollektivs pool?

Dieter Bachmann: Das prozesshafte Denken und Arbeiten mit den Attributen Diskussion, Austausch, Neugier, Vertrauen, Respekt.

David Leuthold: Der gemeinsame Wille, überdurchschnittliche Architektur mit einer hohen gesellschaftlichen Relevanz zu debattieren, zu entwickeln, zu vermitteln, zu planen und zu realisieren.

Mathias Heinz: Die Diskussionskultur.

Raphael Frei: Von Anfang an das Diskursive! Gedanken und Projekte zu entwickeln und diese am Tisch miteinander zu diskutieren. Rede und Gegenrede, das Ausprobieren von Lösungsansätzen, übers Zeichnen und Formulieren, bis sich im Nebel das Bild zu schärfen beginnt und man weiss: Genau hier gehts lang!

TK: Wie und warum hat pool in den 1990er-Jahren zusammengefunden?

Matthias Stocker: Aus Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeitssituation; aus Distanz zum Konzept der damaligen Autorenbüros; aus Experimentierfreude, Architektur als verlängerte Freizeit zu leben.

Mathias Heinz: Als Gegenthese zum Autorenbüro.

David Leuthold: Auch weil jeder von uns damals schon wusste, dass er alleine nicht so weit kommen würde, wie es gemeinsam möglich ist. Für mich persönlich stimmt das auch heute noch. Ich denke, die Vielseitigkeit, die Offenheit, die wir leben können, hätte ich als Einzelkämpfer nicht erreicht.

Raphael Frei: Zu zweit oder in kleinen Gruppen sprach man über die Möglichkeit einer alternativen Arbeitsweise zu der, wie wir sie in Autorenbüros kennengelernt hatten. Die Selbstständigkeit lockte. Ich selber konnte mir aber schwer vorstellen, alleine oder zu zweit, wie es üblich war und noch immer ist, ein Büro zu eröffnen und fortan in dieser Schicksalsgemeinschaft mein Berufsleben zu verbringen. Das war mir zu eng! pool war für mich die Chance, in einer sich ständig wandelnden Umgebung zu sein, die mich zwingt, in Bewegung zu bleiben.

Philipp Hirtler: Am Anfang stand die Idee, etwas gemeinsam zu machen und als Gruppe aufzutreten. Das «etwas» war noch nicht definiert und musste in der Anfangsphase erarbeitet werden. Die Entstehung von pool war spontan und zufällig. Man kannte sich vom Studium oder hat zusammen in einem Büro gearbeitet. Vom ersten Nachtessen im Jahr 1994 bis zur Gründung der Genossenschaft pool 1998 sind neue Leute kurzfristig hinzugekommen und haben den «pool» wieder verlassen. Wichtig für uns war, dass wir in der Anfangsphase als Zwischennutzer einen Raum zum Arbeiten, ein «Vereinslokal» mieten konnten. Dort haben wir Workshops zu städtebaulichen Themen veranstaltet und Debatten über Architektur geführt. Um 1996 begannen einige in diesen Räumlichkeiten zu arbeiten, und man funktionierte als Ateliergemeinschaft. In dieser Zeit wurde ein erster Wettbewerb unter dem Label pool eingereicht, ein ethnographisches Museum in Genf, bei dem wir mit dem dritten Preis einen ersten Achtungserfolg erzielten. Nach der vierjährigen Probezeit war man sich einig, gemeinsam ein Architekturbüro zu führen.

Andreas Sonderegger: Wir hatten immer schon, seit Anfang Studium, in Gruppen diskutiert und gearbeitet. Und wir haben gesagt: Irgendwann werden wir auch als Architekten zusammenarbeiten. Als ich einmal ein Jahr weg war aus Zürich, hörte ich, dass dieser «pool» gegründet wird – und fast alle Kollegen, mit denen ich je gearbeitet hatte, waren dabei …

TK: Ist dieser gemeinsame Erfahrungshintergrund – generationell, örtlich, subkulturell – tatsächlich der Nährboden für eure anhaltende Zusammenarbeit? Oder eher ein Gründungsmythos, der immer noch gut klingt?

Mathias Heinz: Vermutlich ist der gemeinsame Hintergrund tatsächlich Grundbestandteil unserer Zusammenarbeit, indem wir nach wie vor in die gleiche Richtung schwimmen.

Matthias Stocker: Der gemeinsame Erfahrungshintergrund war lange Zeit wichtiger Nährboden. Mit zunehmender «Privatisierung» der Biografie hat sich seine Bedeutung indes relativiert.

Raphael Frei: Mythos hin oder her: Unsere Sozialisierung in den 1980er-Jahren ist unbestreitbar eine gemeinsame Basis. Die Suche nach einer Haltung im Sinne einer gesellschaftlichen Relevanz wie auch die Skepsis gegenüber jeder Ideologie. Sich als politischer Mensch fernab des Parteipolitischen zu sehen.

Andreas Sonderegger: Der gemeinsame Hintergrund – Ausbildung und Berufserfahrung, Einstellungen und Ansichten, Kommunikationsformen – hat sicher vieles erleichtert, und das wirkt bis heute nach. Zeitweise führten wir ernsthafte Diskussionen über Ethik.

David Leuthold: Ich sehe diesen Erfahrungshintergrund bei Weitem nicht so bedeutend. Natürlich sind wir alle Deutschschweizer und haben in den 1980ern Architektur studiert. Von denen gibt es aber noch einige mehr. Wir alle sind auch austauschbar. Ein Ersatz müsste eher gewisse soziale Eigenschaften als architektonische mitbringen.

Dieter Bachmann: In meinen Augen spielt der Erfahrungshintergrund eine grosse Rolle. Die langjährige, intensive Zusammenarbeit und die damit verbundenen Erfolge sind ebenfalls wichtig für den Zusammenhalt. Acht eher konventionelle Typen haben sich gefunden und mit pool ein Vehikel kreiert und Strukturen geschaffen, die das Erschaffen von Architektur auf hohem Niveau ermöglichen, ohne dass einer ein Stararchitekt sein muss. Das passt zu uns.

TK: Was ist für dich das Wesentliche daran, dass ihr als Gruppe unterwegs seid?

Mathias Heinz: Ich bin entbehrlich.

Raphael Frei: Wir haben ein sehr grosses Netzwerk. Fast jeder kennt jemanden von uns, aber kaum uns alle. Darum hört man oft: «Dich kenne ich aber noch nicht.» Und schon ist man in einem Gespräch drin.

Dieter Bachmann: Ich habe Freude daran, ein alternatives Arbeitsmodell gefunden zu haben, das mir entspricht. Ich kann mit Freunden zusammenarbeiten. Mich austauschen. Verantwortung übernehmen und teilen.

TK: Welchen Reiz, welche Vorteile oder Erkenntnisgewinne siehst du in kollektiver Autorschaft?

Mathias Heinz: Die Möglichkeit, Architektur im Diskurs zu schärfen.

David Leuthold: Es ist ein respektvoller Austausch, meist auf hohem Niveau.

Matthias Stocker: Ich vermeide schon lange, unterschiedliche Arbeitsformen gegeneinander auszuspielen. Für uns acht stimmt diese Art der Autorschaft, für jemand anderen überhaupt nicht.

Andreas Sonderegger: Die kollektive Autorschaft ist vor allem eine Aussenwahrnehmung. An den Kritiken sind zwar alle beteiligt. Aber die Autorschaft ist etwas Komplexes, und wir machen auch kein Geheimnis aus den Verantwortlichkeiten.

Philipp Hirtler: Ich schätze, dass ich bei jedem Projekt mit einem anderen Partner zusammenarbeiten kann. Und dass ich mich bei jedem Projekt im pool einbringen kann.

Raphael Frei: Architekturarbeit ist immer Teamarbeit. Insofern glaube ich nicht an eine singuläre Autorschaft. Architektur entwickeln hat zwar etwas Einsames – da gibt es Momente, wo ich im eigenen Saft schmoren muss. Danach aber ist die Auseinandersetzung mit einem Gegenüber wichtig. Die Vielstimmigkeit der Gruppe gibt mir die Sicherheit, nicht von einer individuellen Meinung beeinflusst zu werden. Das Kollektiv zeigt, in welchen Facetten etwas wahrgenommen werden kann. Im besten Fall wird so der nächste Schritt im Entwicklungsprozess klar. Dann hat es etwas Beschleunigendes, Tragendes.

TK: Gibt es auch Momente, wo es dich nervt, nicht einfach nur für dich sprechen zu können?

David Leuthold: Immer wieder.

Mathias Heinz: Wenn wieder einmal eine Idee zu Tode geredet wurde.

Andreas Sonderegger: Wenn ich eine andere Meinung habe, als was uns zugeschrieben wird. Oder bei Kritik am Werk, wenn ich es auch anders gemacht hätte.

Raphael Frei: Ich kann jederzeit für mich sprechen. Es hat eher etwas Beruhigendes, dies nicht immer tun zu müssen.

Matthias Stocker: Ich fühle mich selten eingeschränkt in meinen Aussagen. Wir haben nie bestritten, dass wir nicht alle Dinge gleich sehen.

TK: Gibt es einen Bereich, bei dem du findest, du wirst unterschätzt von deinen Partnern? Welchen?

David Leuthold: Die Fähigkeit, Rollen anzunehmen und diese konsequent zu spielen im Sinne der gemeinsamen Sache.

Mathias Heinz: Manche Geheimnisse müssen gewahrt bleiben.

Andreas Sonderegger: pool funktioniert in dieser Beziehung ein bisschen wie die Schweiz, mit viel Misstrauen gegenüber Exzellenz: nach dem Rasenmäher-Prinzip.

TK: Empfindest und bewertest du das Arbeiten von pool tatsächlich als «kollektive» Autorschaft oder eher als Nebeneinander verschiedener Autorschaften?

Mathias Heinz: Mal so, mal anders.

Raphael Frei: Eine interessante Frage: Richtig entwerfen, d. h. entwickeln, kann ich am besten alleine. Das braucht Ruhe, und das Pflänzchen ist am Anfang zart. Das Potenzieren und Schärfen der Entwurfsansätze geschieht aber oft in der Gruppe. Über den Diskurs wird mir häufig erst bewusst, was ich in der Hand halte. Insofern ein klares Ja für die kollektive Autorschaft.

David Leuthold: Ich sehe da einen grossen Unschärfebereich: Jedes Projekt ist anders, die gegenseitige Beeinflussung sehr unterschiedlich und letztendlich nicht auseinanderdividierbar.

Andreas Sonderegger: Gegen aussen fühle ich mich für alles verantwortlich, was aus dem Laden geht. Gegen innen sehen wir das differenzierter. Aber das ist sozusagen familienintern.

Matthias Stocker: Die meisten Projekte entstammen letztlich je einer einzelnen Autorschaft. Diese ist aber immer – bewusst oder unbewusst – durch unsere Arbeitsweise stark mit den anderen verwoben.

Philipp Hirtler: Für jedes Projekt sind zwei Partner verantwortlich. Bei grösseren Projekten ist die Zusammenarbeit der beiden Partner meistens paritätisch, bei kleineren Projekten gibt es eher einen Hauptverantwortlichen und den «Götti». Jeder Partner arbeitet gleichzeitig an mehreren Projekten und Wettbewerben mit unterschiedlichen Partnern zusammen. Im wöchentlich stattfindenden «poolatelier» werden unsere Projekte besprochen und jeder kann sich einbringen. Aufgrund unserer vielfältigen Partnerkonstellationen und unserer Arbeitsweise steht für mich die kollektive Autorschaft im Vordergrund.

Dieter Bachmann: Mir bedeutet die Autorschaft nicht besonders viel. Ich habe Freude an einem gelungenen Werk. Es steht zuerst pool darunter und dann die Namen der Beteiligten.

courtesy of Georg Gatsas

TK: Welche Instrumente des Austauschs und Abgleichens eurer Arbeitsstrategien und thematischen Zielrichtungen sind für euch zentral?

Philipp Hirtler: Das wichtigste Gefäss zum gemeinsamen Austausch und Abgleich unserer Projekte ist das erwähnte «poolatelier», die wöchentliche Diskussion, wo die Projekte gegenseitig vorgestellt und kritisiert werden. Nebst dieser institutionalisierten Form ist der spontane Austausch, sei es vor den Plänen und Modellen, in der Kaffeepause oder beim Mittagessen, wohl genauso wichtig. Eine Bereicherung im Büroalltag ist der «whirlpool», der unregelmässig, etwa einmal im Monat stattfindet. Zu diesem werden Vortragende aus interdisziplinären Bereichen der Architektur, Kunstschaffende oder andere Architekten eingeladen, es wird eine Ausstellung besucht, oder jemand von pool hält einen Vortrag, z. B. über seine letzte Studienreise. Und einmal im Jahr gehen wir für zwei Tage in Klausur.

TK: Wie findet ganz konkret die Projektverteilung statt? Wenn z. B. eine Einladung zu einem Wettbewerb eintrifft oder wenn jemand von euch kontaktiert wird für einen Auftrag – wie wird ausgewählt, wer von euch Projektleiter wird und welche zwei pool-Architekten das Projektteam bilden?

Dieter Bachmann: Im «poolatelier» werden Vorteile, Nachteile und Rahmenbedingungen der neuen Wettbewerbe oder Anfragen besprochen: Wer ist in der Jury, wer von uns hat Zeit, ist der Wettbewerb entschädigt, ist allenfalls mit einem Folgeauftrag zu rechnen? Interessen werden angemeldet, inhaltlich, zeitlich – das sind meist automatisch zwei Partner. Danach wird diskutiert, wer den Lead übernehmen, wer der «Götti» sein könnte. Das wird so stehen gelassen und zu einem späteren Zeitpunkt nochmals angeschaut und entschieden. Bis anhin haben meistens diese zwei das Projekt dann auch bearbeitet. Ihnen wird ein Team zur Seite gestellt, aus dem Wettbewerbsteam; sie bringen das Projekt regelmässig in die Runde aller Partner ein, zur Kritik und zur Qualitätssicherung. Und wenn ein Wettbewerb gewonnen wurde, hatten die zwei bisher immer auch das Recht, den Auftrag weiterzubearbeiten und auszuführen. Das war bisher immer der Fall. Oft teilen sich diese zwei die Verantwortlichkeiten dann etwas anders auf, und natürlich ändert sich auch die Zusammensetzung des zur Seite gestellten Teams, d. h. ein Ausführungsteam löst das Wettbewerbsteam ab.

TK: Sind es immer Zweierteams? Oder sind auch mal mehr Partner beteiligt?

Matthias Stocker: Es kann schon vorkommen, dass Wettbewerbe so spannend sind, dass nicht nur zwei sie bearbeiten möchten, sondern gleich sechs oder acht von uns. Aber meistens ist es so, dass den vier Partnern, die sich am meisten interessieren, gesagt wird: Ihr vier macht das untereinander aus.

Philipp Hirtler: Im Grunde haben praktisch immer zwei von uns ein Projekt betreut, ganz selten waren es drei oder vier.

Dieter Bachmann: Die anderen pool-Architekten sind dann aber nicht aussen vor: Es gibt explizit die Verpflichtung, die Projekte in der Diskussionssitzung zur Debatte zu stellen. Also zuerst das Programm vorzustellen und vier Wochen später zu zeigen: Was haben wir für ein Konzept; noch einmal drei Wochen später werden die vertieften Konzepte angeschaut, etwa Grundrisse oder Fassaden. Bei dieser Diskussion sind dann alle Partner dabei, seit diesem Jahr neu auch die fünf assoziierten Architekten. Da ist man angehalten, das zu diskutieren und zu kritisieren. Es gab schon häufig die Situation, dass die anderen Partner meinten: Das finden wir jetzt aber nicht so gut. Dann ist man als Projektteam natürlich gefordert. Einerseits hätte man die Kompetenz, das so zu machen wie vorgestellt; aber wenn sechs andere sagen, «Hey, ein Geschoss tiefer wäre besser», überlegt man sich sehr gut, ob man den Bau nicht ein Geschoss niedriger projektiert.

Raphael Frei: Diese Diskussionen im «poolatelier» sind nicht fakultativ, sondern obligatorisch. Das heisst: Es gibt keine Projekte, die nicht durch dieses Gremium gehen.

Mathias Heinz: «Obligatorisch» klingt jetzt etwas diktatorisch, nach Zwang. Doch es ist einfach das Prinzip, wie wir als pool funktionieren und wie wir Architektur diskutieren wollen. Wir wollen diese Diskussion! Es ist ja immer ein Aufwand, etwas zusammenzustellen, um es zu präsentieren. Aber dies ist ein wichtiger Bestandteil unseres Diskurses. Man darf es sich aber nicht allzu geordnet vorstellen, es ist eher wie auf einem Basar: Ideen werden reingeworfen. Und entsprechend ist es auch nicht immer ganz einfach, daraus als Projektteam seine Schlüsse zu ziehen. Es ist eine Vielstimmigkeit, die da reinkommt. Je nach Tageslaune und Impetus der Arbeit, wie stark ein Partner sich eindenken mag, geraten die Reaktionen der verschiedenen Partner unterschiedlich. Das ist immer wieder sehr erfrischend, wenn man das so nennen will; manchmal aber auch ganz schön anstrengend, die Antworten auf das eigene Projekt auseinanderzudividieren und zu sortieren. Und zu entscheiden, auf welche Inputs und Ideen man reagiert und auf welche nicht.

TK: Gab es schon Phasen heftiger gruppeninterner Interessenkollisionen? Und wie seid ihr da wieder herausgekommen?

Raphael Frei: Natürlich gibt es die. Da heisst es dranbleiben und den Konflikt aushalten. Widerstand ist selten grundlos. Und wir haben mit der Zeit so unsere Strategien entwickelt. Dazu gehört auch der Einbezug von Beratern, bevor es knallt – man muss ja nicht alles selbst erfinden. Die Verfahren sind bewährt, und wenn man Konflikte rechtzeitig erkennt, kann man sie selber lösen.

David Leuthold: Es gibt eine selbstregulierende kollektive Vernunft.

Andreas Sonderegger: Ja, es gab auch Konflikte. Und es gibt institutionalisierte Konfliktbereinigungsverfahren. Das hat bisher funktioniert.

Mathias Heinz: Indem schlussendlich die Idee pool stärker war als der Anspruch, die persönlichen Interessen zu wahren.

TK: Wie würdest du einer ausländischen Architektin auf die Frage antworten: Was tut pool alles?

Mathias Heinz: Einer ausländischen Architektin: Creating architecture in a permanent process of internal discussion. – Einem ausländischen Architekten: We do what has to be done.

Matthias Stocker: Pool sucht auf möglichst hohem Niveau nach architektonischen Lösungen für bauliche Problemstellungen.

Philipp Hirtler: pool entwirft alles: vom Stadtquartier, von Gross- und Kleinprojekten bis zur Innenausstattung.

TK: Was unterscheidet eure Bauten oder urbanistischen Konzepte von denjenigen anderer Schweizer Architekten?

Mathias Heinz: Das frage ich mich manchmal auch.

Matthias Stocker: Ich wüsste keinen generellen Unterschied – im Vergleich mit anderen engagierten Architektinnen und Architekten.

David Leuthold: Wir sind sehr schweizerisch, und es gibt einige Architekten in unserer Generation, die sehr wohl zu pool passen würden. Wir sind schon anders, aber nicht so sehr.

Philipp Hirtler: Es gibt nicht viele Architekturbüros in der Schweiz, die sich aktiv mit städtebaulicher Planung befassen und sich im Speziellen mit der Agglomeration auseinandersetzen. Da beim Städtebau auch gesellschaftliche, demografische, kulturelle und soziale Aspekte wichtig sind, können in Workshops unter Einbezug interdisziplinärer Spezialisten wichtige Erkenntnisse erarbeitet werden. Bei den Bauten haben wir den Anspruch, auf den städtebaulichen Kontext zu reagieren und eine spezifische Aussage zu machen.

TK: Und was ist anders, weil ihr nicht ein Architektenduo, sondern eine Achtergruppe seid?

David Leuthold: Wir sind stilistisch unberechenbar.

Mathias Heinz: Im schlechtesten Fall ist nichts anders – im besten Fall alles.

Philipp Hirtler: Die pool-Handschrift gibt es nicht. Der Name pool ist Programm: pool ist ein Gefäss in dem vieles und Unterschiedliches Platz haben muss. Da wir je nach Projekt in wechselnden Partnerkonstellationen arbeiten, entstehen vielfältige, zum Teil auch sehr unterschiedliche Projekte. Nebst der strategischen Ausrichtung wird am Projekt pool weitergearbeitet. pool ist ein Work in progress. Das gemeinsame Kochen und Essen muss in der Retraite ebenfalls seinen Platz haben.

TK: Wie geht ihr mit den Finanzen um, wenn einige der pool-Partner als Dozenten tätig sind? Wie ist euer Umgang mit gemeinsamen/getrennten Einnahmen?

Philipp Hirtler: Getrennte Einnahmen gibt es nicht. Einnahmen aus Dozenten-, Jury-, Verbands- und weiteren Tätigkeiten werden in die gemeinsame pool-Kasse eingezahlt.

Mathias Heinz: Alles kommt in einen Topf.

Andreas Sonderegger: Dann wird gleichmässig verteilt.
Dieter Bachmann: Ganz einfach: Der Dozent verdient auswärts Geld, kann während dieser Zeit jedoch kein Geld im pool generieren.

 

TK: Inwieweit gibt es pool-übergreifende theoretische Ansätze?

Raphael Frei: Eine Theorie im eigentlichen Sinne gibt es nicht – wir sind keine Theoretiker! Es gibt wohl so etwas wie Forschung am Gegenstand: ein Vergleichen der eigenen Arbeiten mit Vorbildern aus einer anderen Generation; einen Prozess des Weiterdenkens von einem Projekt zum nächsten; etwas verwerfen und früher Gedachtes wieder aufgreifen. Bei diesem Zurückgreifen auf den eigenen Gedankenpool vermischen sich die Autorschaften. Es entstehen neue Kombinationen. Für Theorie braucht es eine Versprachlichung. Diese findet bei uns im mündlichen Diskurs, weniger häufig in geschriebenen Texten statt. Aber was nützt Theorie in der Architektur, wenn sie sich nicht im Projekt abbildet. Ich glaube, unser Diskurs, unsere architektonische, aber auch gesellschaftspolitische Haltung ist heute in unseren Projekten sichtbar. Unsere Entwürfe sind nicht einfach nur Hülsen, sondern Resultat einer Auseinandersetzung – die Form soll vom Inhalt sprechen.

Andreas Sonderegger: Als roter Faden zieht sich jedoch die Auseinandersetzung mit städtebaulichen Fragen durch: die Limmattalstudien, die wir in der Lehre an der ETH aufgenommen haben; das Manifest der Architektengruppe Krokodil zur Stadt im Glatttal als Zusammenfassung unserer jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Agglomerationsraum. Über andere Themen haben wir weniger geschrieben, doch das Resultat der Recherche spiegelt sich direkt in unserer Projektarbeit: Wohnungsbautypologien, Raum- oder Baustrukturen.

Mathias Heinz: Ansätze gibt es im Learning by doing und im Respekt gegenüber dem Handwerklichen, dem Savoir-faire.

Philipp Hirtler: Zu Beginn unserer Tätigkeit haben wir jährlich unsere Projekte verglichen und versucht, die Gemeinsamkeiten zu finden, die Handschrift zu definieren und möglichst ein Manifest zu verfassen. Aber da wir acht unterschiedliche Individuen sind, haben wir eingesehen, dass es kaum möglich ist, einen theoretischen Überbau zu formulieren. Im pool haben unterschiedliche Ansätze und Herangehensweisen ihren Platz.

TK: Wo seht ihr selbst die Stärken eurer Ansätze?

Mathias Heinz: Beim Weiterführen konzeptueller Ideen aus den 1970er-Jahren ohne deren gesellschaftlichen Ballast.

Matthias Stocker: In der diskursiven Verdichtung. Behauptungen Einzelner werden so lange diskutiert und bearbeitet, bis sie hieb- und stichfest sind.

Andreas Sonderegger: Dies ist die Verdichtung der Lösungsansätze durch den Diskurs. Eher als von einer «Theorie» müsste man hier aber von einer «Praxis» sprechen. Oder von «Strategien».

David Leuthold: Die Frage, «Haben wir Strategien? Und wie kommen wir zu Strategien?» finde ich sehr interessant. Ich glaube, wir haben vor allem methodische Strategien. In unseren Seminaren sprechen wir oft über Strukturen und darüber, wie wir arbeiten. Wenn es aber um inhaltliche Strategien geht – sagen wir, darum, welche Art von Architektur wir machen wollen, oder: wollen wir international sein; wollen wir Rosinenpicker sein; wollen wir die Spezialisten auf einem Gebiet werden –, da sind wir dann sehr heterogen und merken, dass wir uns nicht festlegen möchten. Unsere Entwicklung ist relativ natürlich und entsteht aus meiner Sicht aus dem Alltagsgeflecht: Es kommt ein Auftrag, da fragen wir uns, ob wir Lust und Zeit haben oder nicht. Sie beruht weniger auf Entscheidungen wie «Jetzt schauen wir, dass wir die internationalen Museumswettbewerbe machen oder dass wir ein bestimmtes Gebiet explizit als Spezialisten abdecken».

Raphael Frei: Das Ziel wäre eine Art hochstehende Palaverkultur. Wir haben uns mit verschiedenen Gesprächsformen befasst, haben uns auch beraten lassen auf dieser Ebene. Und es war sehr interessant, zu merken, wie das chaotische Gespräch eine kreative Energie hat und wirklich Ideen produziert. Und bei welchen Themen genau diese Art Palaver überhaupt nicht funktioniert, weil es nur Nerven kostet und man stattdessen klar fokussieren muss.

Dieter Bachmann: Ich glaube, in der Architektur gibt es viele gemeinsame Interessen, die uns verbinden.

David Leuthold: Ja, aber ist das eine Strategie? Wir versuchen ja sehr häufig, uns zu definieren, und haben auch schon einige Anläufe gemacht, zu klären, was unser Gemeinsames ist. Wenn wir das als Strategie bezeichnen, spüre ich bei mir eine gewisse Aversion, mich da festzulegen.

Dieter Bachmann: Ich könnte nicht fixfertig formulieren, was unsere Strategie ist. Aber ich weiss, dass es gemeinsame Interessen in der Architektur gibt: wenn es um das handwerkliche Bauen geht; wenn es um die Frage geht, wie man mit industriellem Bauen oder mit Mischbauten umgehen könnte. Das sind Themen, die immer wieder kommen. Und jetzt kann man sagen: Das ist unsere Strategie, wir müssen das festschreiben. Oder man kann es eben laufen lassen und es passiert einfach.

Mathias Heinz: Unsere Palaverkultur ist eine Strategie. Das haben wir ja mal herausgefunden. Wir hatten eine Krise, als das Büro stärker professionalisiert wurde, als es darum ging: Sind unsere Entscheidungsfindungen überhaupt professionell? Denn natürlich sind sie sehr aufwendig. Und wir haben jemanden gebraucht, der uns sagte: «Ihr habt eine Palaverkultur, und das ist völlig okay.» Wie jemand, der dir sagt: «Du bist gut so, wie du bist.» Ich sehe das auch als Strategie.

David Leuthold: Aber das ist eine Methode.

Mathias Heinz: Bei uns ist die Methode Strategie. Wir müssen gar nicht das Produkt definieren, sondern wir definieren die Methode, und die Methode prägt unser Produkt, unsere Architektur.

Matthias Stocker: Man kann das auch ausweiten und sagen: Was uns verbindet, ist nicht die Strategie, die oberste architektonische Haltung, sondern es ist die Methode, wie wir Architektur machen. Wir haben herausgefunden, dass wir immer daran gescheitert sind, knallhart zu definieren, was das Verbindende unserer Architekturvision ist. Natürlich gibt es Überschneidungen, aber das reicht nicht. In der Frage hingegen, wie wir Architektur betreiben wollen, sind wir uns wahrscheinlich sehr einig, sonst wären wir nicht mehr zusammen.

Philipp Hirtler: Es ist einfach so, dass wir organisatorische und strukturelle Strategien problemlos in einem Jahr umsetzen können; bei inhaltlichen Strategien ist es dagegen ein längerer Prozess. Genauer ist das Inhaltliche nicht zu definieren wegen unserer Vielstimmigkeit.

Raphael Frei: Ich glaube, es hat auch noch mit anderen Aspekten zu tun. Strategie heisst ja immer, dass man etwas stark fokussieren muss. Und man muss Dinge wegschneiden, damit man eine klare Linie formulieren kann. Ich glaube, dass wir als Einzelpersonen diese Form der Vereinfachungen nicht unbedingt suchen. Sondern dass wir das Multiple, relativ Komplexe suchen, wo verschiedene Einflussfaktoren wichtig sind und wichtig bleiben sollen; dass das auch zu unseren jeweiligen Persönlichkeiten gehört. Und ich bin generell skeptisch gegenüber übergeordneten architektonischen Strategien. Ich glaube, auch andere Büros sind gar nicht so strategisch, wie sie tun, sondern die Entscheide werden durch die Möglichkeiten, die geboten sind, durch die Wege, die aufgezeichnet werden, durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Und sind gar nicht so sehr das Resultat von intellektuellen Überlegungen: «Genau da will ich hin.» In diesem Sinn vermute ich, dass wir gar nicht so extrem anders sind, was das Strategische anbelangt, als viele andere Büros.

TK: Inwieweit ist das Modell pool typisch für eure Architektengeneration?

Mathias Heinz: Leider weder typisch noch zum Modell geworden.

Dieter Bachmann: Überhaupt nicht typisch, unsere Studienkollegen haben meistens Zweierbüros, landeten in einer Grossfirma oder sind auf dem Amt. Wir waren die Exoten und sind es vielleicht heute noch.

Philipp Hirtler: Eine Architektengruppe mit acht Partnern ist für unsere Generation und vermutlich für jede Generation untypisch.

TK: Und was ist in eurem Schaffen typisch für eure Generation Schweizer Architekten – was gerade nicht?

Mathias Heinz: Die Tiefe der Analyse ist typisch, die gestalterische Heterogenität sehr atypisch.

Philipp Hirtler: Untypisch ist unsere Debattenkultur, die nur in einer grösseren Gruppe möglich ist.

Andreas Sonderegger: Am Anfang stand eine für unsere Generation typische Skepsis gegenüber jeder Art von Ideologien oder ungerechtfertigter Autorität.

Matthias Stocker: Das Pflegen einer ausgeprägten Handschrift spielte lange Zeit nicht nur bei uns eine untergeordnete Rolle. Dies zeichnet viele Zürcher Büros der jüngeren Vergangenheit aus und hat wahrscheinlich viel mit dem komfortablen Arbeitsumfeld der letzten zwei Jahrzehnte zu tun – die ideologischen Grabenkämpfe haben unsere Vorgänger ausgefochten. In letzter Zeit zeichnet sich aber wieder eine Gegenbewegung ab.

TK: Was unterscheidet euch in euren Prioritäten, eurer Weltsicht von der prägenden und in ihrer Deutungsmacht erfolgreichen älteren Generation von Schweizer Architekten?

Andreas Sonderegger: Die Skepsis gegenüber dem scheinbar autonomen architektonischen Objekt: die Notwendigkeit seiner gesellschaftlichen und städtebaulichen Einbindung; die Vordringlichkeit des städtebaulichen Ganzen.

Mathias Heinz: Wir lassen mehr gelten.

David Leuthold: Das wird sich weisen, wenn wir so alt sind wie sie.

Matthias Stocker: Das grosse Verdienst unserer Vorgängergeneration ist sicher das Aufbrechen des spätmodernen Dogmas mit frischen Aspekten wie: verspielt, regional, experimentell, unerwartet usw. Wir hatten das Glück, diese Früchte zu ernten und – undogmatisch – mit diesen neuen Freiheiten experimentieren zu können.

TK: Wie erlebt ihr in der Praxis oder in der Lehre die jüngeren Architektengenerationen im Vergleich zur eigenen?

Matthias Stocker: Mit Hang zum Klassischen, zur Guten Form.

Mathias Heinz: Ungemein zielgerichtet und selbstbewusst. Aber vielleicht ist dies auch einfach das Privileg der Jugend.

Andreas Sonderegger: Viele Konventionen, die wir für abgeschafft hielten, sind plötzlich wieder da.

Raphael Frei: Als junger Architekt verliert man sich leichter im Formalen. Das ist etwas, was wir heute in der Lehre feststellen. Über Haltungen redet man zwar, sie dringen aber kaum sichtbar in Projekte ein.

TK: Und wie zeigt sich in eurem Schaffen – falls überhaupt – der einleitend als generationelle Prägung erwähnte Nährboden in der Alltags- und Subkultur der 1980er-Jahre?

Matthias Stocker: Das Undogmatische, man mag dies positiv oder negativ beurteilen, ist in unseren Arbeiten nach wie vor spürbar.

Mathias Heinz: Das war die Grundlage des Punk – man hat es einfach gemacht, und vielleicht ist dabei Musik herausgekommen.

David Leuthold: Das wird total überschätzt. Wir sind alle die Kinder unserer Eltern, ich glaube, das hat uns viel mehr geprägt. Wir waren alle höchstens Hobbypunks, Gelegenheitskiffer, gelegentliche Mitläufer bei Wohndemos und Besucher von illegalen Bars. Alles sehr gemässigt und relativ angepasst, Landeier halt.

Raphael Frei: Gerade was das Leben im urbanen Kontext und das Wohnen in der Stadt betrifft, haben die 1980er-Jahre aber einen Paradigmenwechsel eingeläutet. Diese Generation wollte die verkalkten Vorstellungen aufbrechen, wie man mit öffentlichen und privaten Räumen umgeht. Wollte Strassenräume in Beschlag nehmen und beleben. Das Wohnen vom Statusdenken lösen und neue Modelle des Zusammenlebens realisieren. Eigentlich genau das, womit wir uns, wie viele Berufskollegen auch, die letzten Jahre befasst haben.

TK: Wie hat die Arbeit der Architektengruppe Krokodil eure Arbeit und eure Stellung in der Schweizer Architektengilde verändert?

Andreas Sonderegger: Für unsere Praxis in konkreten städtebaulichen Projekten ist die Arbeit von Krokodil eine Art Grundlagenforschung. Endlich wurden diverse Studien und Diskurse systematisch erfasst, vertieft, dargestellt – ein wichtiger Fundus für die weitere Arbeit. Ob die Aussenwahrnehmung von pool sich durch die Arbeit von Krokodil verändert hat, kann ich nicht beurteilen.

Raphael Frei: Raumplanung ist nicht gerade das, was man als Fachrichtung als besonders sexy bezeichnen könnte. In der Architektur wird immer noch lieber über schöne Objekte geredet als über die Raumentwicklung, welche als besonders technisch gilt und für Profilierungsgelüste unattraktiv ist. Mit der Gruppe Krokodil konnten wir etwas realisieren, was uns als Einzelbüro kaum gelungen wäre: Durch die büroübergreifende Zusammenarbeit mit Roger Boltshauser, EM2N, Lukas Schweingruber und Frank Zierau konnten wir eine gesellschaftspolitische Meinungsäusserung legitimieren. Sonst wären wir wohl marginalisiert worden. Dass wir von pool auf Erfahrungen der Zusammenarbeit in Gruppen und auf raumplanerische Vorarbeiten zurückgreifen konnten, kam uns dabei zugute. Von Architektenkollegen aus der ganzen Schweiz, aber auch von anderen Fachpersonen und Interessengruppen wurde diese Arbeit mehrheitlich mit grossem Respekt verdankt – interessanterweise am wärmsten in der Westschweiz. Im Raum Zürich sind wir wohl auch einigen ins Gärtchen getreten, was kaum zu vermeiden war.

TK: Wo seht ihr jetzt, nach 17 Jahren pool, die Schwerpunkte und Eigenheiten eures Schaffens?

Raphael Frei: Es gibt sicher einen Schwerpunkt im Wohnungsbau des mittleren bis grossen Massstabs; einen Schwerpunkt im Bereich Planerische Aufgaben, Areale, Quartiere; und es gibt einen Schwerpunkt im Bereich Bildung, Sport, pädagogische Institutionen. Das sind so die drei Standbeine, die da sind. Und wenn man das zurückverfolgt, hat das natürlich auch viel mit der Zeit zu tun, in der wir tätig sind.

David Leuthold: Uns hat es ein bisschen dahin gespült, wo eben die Möglichkeiten da waren und da sind.

Raphael Frei: Das hat sicher verschiedene Ursachen. Einerseits haben wir unsere Vorgeschichte, wir haben unsere Interessen mitgebracht, haben unsere Diskussionen geführt. Daraus sind Wahlmöglichkeiten entstanden. Und es gab den Standort Zürich, Schweiz mit seinen Möglichkeiten. Und am Ende sind wir wahrscheinlich dort stark geworden, wo wir Erfolg hatten. Ein Teil ist Können und ein Teil ist Glück. Da gibt es einfach sehr verschiedene Faktoren, welche die Richtung bestimmen.

Matthias Stocker: Ich habe schon ein paarmal unabhängig von Leuten gehört: Was Bauten von pool charakterisiert, ist, dass sie ein bisschen störrisch und nicht so ästhetisch sind. Dass die schöne Form nicht so im Vordergrund steht.

Dieter Bachmann: Also meine Freunde finden die Häuser schön!

Matthias Stocker: Es geht nicht um schön. Sondern vielleicht eher um modisch. Dass wir den Schwerpunkt nicht auf die Gute Form legen, auf eine totale Ausgewogenheit.

Raphael Frei: Dieses Störrische, das ist etwas, mit dem ich mich relativ gut identifizieren kann. Dies sind auch Dinge, die wir jeweils diskutieren: Wie entsteht eine Form? Ist die Form ein Akt des Designs? Oder ist die Form etwas, was aus ganz anderen Überlegungen entsteht? Und so, wie wir diskutieren, wie wir arbeiten, sind wir eher bei Zweiterem. Die reine ästhetische Form, das, was grad so aus der Hand gekommen ist, hat in unseren Diskussionen eigentlich selten Bestand.

David Leuthold: Aber man macht es dann trotzdem – man darf einfach nicht darüber reden …

Raphael Frei: Deswegen gibt es die Brüche. Das ist vielleicht das, was als störrisch bezeichnet werden kann. Weil die Form, das Design nicht so als Reinkultur rüberkommt. Sondern: Durch die Diskussionen entsteht Reibung.

Andreas Sonderegger: Mit der grossen Geste kommst du bei uns nicht durch. Das ist so.

 

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Die acht Partner der pool Architekten Genossenschaft sind: Dieter Bachmann, geboren 1963; Raphael Frei, geboren 1965; Mathias Heinz, geboren 1966; Philipp Hirtler, geboren 1966; David Leuthold, geboren 1966; Andreas Sonderegger, geboren 1965; Mischa Spoerri, geboren 1964; Matthias Stocker, geboren 1964.

Buchpublikationen: Sascha Roesler (Hrsg.), pool. Werkjournal 1998–2010 (Zürich 2010). Architektengruppe Krokodil, Glatt! Manifest für eine Stadt im Werden (Zürich 2012).

Thomas Kramer, geboren 1966, leitet die Verlage Scheidegger & Spiess und Park Books in Zürich. Davor war er Filmhistoriker, Musikjournalist beim Tages-Anzeiger und Kulturchef der Weltwoche.

Das Interview ist Teil der Publikation “Prix Meret Oppenheim 2014” (SS.105-125) – auch auf Englisch verfügbar.